Samstag, 1. Februar 2014

Ich bin nicht labil - ich reg mich nur gern auf, verdammt!

Kennen Sie auch jemanden, der Ihnen "brutal auf den S*ck geht"? Oder denken Sie selbst manchmal, dass Sie anders sind als alle anderen? Ist der nervende Bekannte nun schlecht, weil er anders ist (und nervt), und ist das bei uns selbst gut oder schlecht? Was ist Persönlichkeit und Charakter, Pluralität und Individualität? Was bedeutet "schädlich" oder "krank" und was ist "gesund" und "normal" (s. auch hier: Abnormal, nur normal oder zu normal?). Das Diathese-Stress-Modell der Psychopathologie liefert hier ein interessante Erklärung, warum wir unterschiedlich auf Situationen reagieren und was psychisch "krank" und "gesund" bedeuten soll.
Zunächst einmal: Warum reagieren wir auf gleiche Dinge unterschiedlich - z.B. warum macht den einen Stress fertig und den anderen nicht? Oder auch: Warum können manche Menschen Trauer besser überwinden als andere. Die Beispiele sind vielfältig: Trennung, Arbeitsplatzverlust, ein Autounfall, Angst vor dem Sprechen vor anderen Menschen, Schüchternheit...

Das, als anerkannt geltende, Diathese-Stress-Modell der Psychopathologie erklärt warum wir auf solche Dinge - auf Belastungen - unterschiedlich reagieren. Diathese kann man als "Dispositon" oder verständlicher als Veranlagung beschreiben (genetische Veranlagung oder Prägung während des Aufwachsens). Stress ist leicht verständlich, ist aber etwas abstrakter gemeint und könnte man als "belastende Situation oder Sache" beschreiben. Unsere genetische Veranlagung und die Erfahrungen während unseres Aufwachsens prägen unsere Reaktion auf eine belastende Sache (wir können also besser oder schlechter damit umgehen). Hinzu kommen noch Risiko- und Schutzfaktoren. Ein einfaches Beispiel ist das Selbstbewusstsein: Ein schlechtes Selbstbewusstsein lässt uns eher verletzlich reagieren, ein gutes härtet uns eher ab. Wenn jetzt zu dieser Veranlagung und den Risiko- und Schutzfaktoren ein belastendes Ereignis hinzutritt (Stress), dann können wir das unterschiedlich gut verarbeiten.

So kann sich mit der Zeit eine psychische Störung (man spricht nicht von einer Krankheit) entwickeln oder eben nicht. Warum spricht man jetzt nicht mehr von "Krankheit" bei psychischen Problemen? Weil man das nicht so pauschal sagen kann (obwohl die Diskussion sicher nicht abgeschlossen ist). Wenn man für sich selbst wissen möchte, ob man ein "ersthaftes" psychisches Problem hat oder man einfach etwas "nicht so gut vertragen kann", dann kann man zwei Fragen beantworten:
  • Schädige ich mich selbst oder andere (bzw. gefährde ich mich selbst oder andere)? Z.B. könnte man eine belastende Sache mit Drogen oder Alkohol betäuben. Evtl. belaste ich auch meine Familie oder Freunde stark durch mein Verhalten.
  • Wie schlimm finde ich das Problem (wie hoch empfinde ich subjektiv die Belastung)? Gibt es etwas worunter Sie leiden oder stören Sie manche Sachen einfach nur? Vermeiden Sie vielleicht sogar bestimmte Dinge oder Situationen, weil sie Sie nicht mögen? Oder aber auch: Haben Sie oft das Problem, dass Sie anecken (zu oft für Ihren Geschmack) oder haben Sie vielleicht sogar gar keine richtigen Freunde?
Wenn Sie diese Fragen für sich so oder so beantworten können, dann brauchen Sie entweder keine Hilfe oder aber Beratung könnte Ihnen gut tun. Aber krank sind Sie eben noch lange nicht. Also: Bloß weil Sie etwas schlimm finden - auch richtig schlimm finden - sind Sie deswegen eben noch lange nicht "psychisch krank" - das gibt es eben einfach nicht. Also wenn Sie etwas belastet,  holen Sie sich Beratung bei Freunden oder Profis!

Also haben Sie "noch Temperament" oder sind Sie "schon labil" - in Anhlehnung an eine bekannte Möbelkette? Da sind Sie der Experte und wenn Sie etwas ändern möchten, dann tun Sie das auch - mit oder ohne Hilfe.

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